Routinen machen einen großen Teil unserer Leistung aus

"Gewohnheitsmäßige" Handlungen machen schätzungsweise bis zu 70 % unseres wachen Verhaltens aus. Aber gerade beim Aneignen von Gewohnheiten sind Menschen unterschiedlich schnell: Fällt es Ihnen schwer, eine bestimmte Gewohnheit zu entwickeln, dann bedeutet das noch lange nicht, dass es Ihnen auch bei anderen Dingen schwerfällt Routinen zu etablieren. 

Die Zeit, die man dafür benötigt, eine Gewohnheit zu bilden, kann von Fall zu Fall stark variieren: Benötigen manche 18 Tage für eine neue Routine, dauert es bei anderen 21, 30 oder sogar 60 Tage. 

MECHANISMEN DER GEWOHNHEITSBILDUNG

Mit jeder Wiederholung einer Gewohnheit verändern sich die kognitiven und neuronalen Mechanismen geringfügig, insbesondere diejenigen, die mit dem prozeduralen Gedächtnis verbunden sind. Das prozedurale Gedächtnis umfasst die Erinnerung an die Abfolge von Schritten, die erforderlich sind, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, ähnlich wie bei einem Rezept oder einem Trainingsplan.

AUTOMATISIERUNGEN SIND IM SPORT GANZ BESONDERS WICHTIG

Mit Automatisierungen meinen wir hier explizit nicht sportliche Bewegungsabläufe oder taktische Routinen, vielmehr sind gewohnheitsmäßige Handlungen auch im "Drumherum" wichtig, das beginnt bei der Vorbereitung der Sportsachen für das morgendliche Training und reicht bis hin zum Management der Regeneration.

Diese Routinen sollen wenig Zeit und Energie in Anspruch nehmen und gleichzeitig verlässlich ablaufen. Unterscheidet man zwei Arten des Denkens, dann sollten "Sport-Admin-Routinen" im schnellen, instinktiven System 1 ablaufen. 

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Explizite Trainingsentscheidungen, etwa das Volumen oder die Intensität betreffend, müssen hingegen immer im langsameren System 2 getroffen werden. Schließlich muss man sich diese Dinge logisch, rational und langsam durchdenken. Sie sind auch die Aufgabe des (meist) emotionaleren Trainers.

IM SPITZENSPORT SIND ROUTINEN AUS MEHREREN GRÜNDEN VON ENTSCHEIDENDER BEDEUTUNG

1. Konsistenz und Leistung: Regelmäßige und geplante Trainings- und Ernährungsroutinen ermöglichen beständige und vergleichbare Trainingsarbeit, denn nachhaltige Verbesserungen sind nur durch diese täglichen Standards möglich. Reist man als Athlet etwa viel, dann kommt auch eine Menge Unsicherheit in die Arbeit.

Triathlon Olympiasiegerin Kate Allen: "Ich liebte in meinem Trainingsroutinen über alles. Ich trainierte monatelang an einem Ort, lief immer dieselben Strecken um meine Leistung immer im Auge behalten zu können. Höhentrainings fanden stets am selben Ort statt und Leistungstests natürlich immer im gleichen Testinstitut, am gewohnten Ergometer bzw. Laufband. Ich sehe es fast als Stärke, wenn man als Athlet wenig Entertainment und Abwechslung braucht.

2. Mentale Vorbereitung: Routinen können aber auch eine mentale Struktur schaffen dem Athleten Sicherheit vermitteln. Athleten wissen durch ihre Routinen genau, was sie tun müssen, um sich optimal auf Wettkämpfe vorzubereiten, was Angst und Nervosität reduzieren kann.

3. Erholung und Regeneration: Durch feste Ernährungs-, Erholungs- und Schlafroutinen stellen Athleten sicher, dass sie entsprechend regenerieren, sich nachhaltig entwickeln und nicht zuletzt Verletzungen vermeiden. Eine gute Regeneration ist absolut entscheidend, um langfristig physisch und psychisch leistungsfähig zu bleiben.

4. Optimierung von Fähigkeiten: Routinen und Wiederholungen - etwas Technik Drills im Schwimmen - ermöglichen gezielte und systematische Arbeit an spezifischen Fähigkeiten und Schwächen. Durch wiederholtes Üben bestimmter Techniken und Bewegungen können Athleten ihre Fertigkeiten verfeinern und verbessern.

5. Zeiteffizienz: Durch klar definierte Tagesabläufe kann man die Trainingsarbeit effizienter gestalten. Athleten können ihre Zeit so besser nutzen und sicherstellen, dass alle wichtigen Aspekte des Trainings, der Erholung und der Ernährung abgedeckt sind.

Kate Allen: "Versuchen auch Sie Routinen zu erstellen. Beginnen Sie damit zu fest definierten Zeiten zu trainieren, etwa immer Mittwochs Abend zu laufen, Laufschuhe, Socken, Shorts, T-Shirt und GPS Uhr schon am Vorabend vorzubereiten oder sich schon vor den Trainings um die Regeneration danach zu kümmern.

6. Stressreduktion: Routinen reduzieren den Stress, der durch Unsicherheiten und Unvorhersehbarkeiten entsteht. Athleten, die feste Routinen haben, müssen weniger Entscheidungen treffen und können sich voll auf ihre Leistung konzentrieren. Je besser eingelaufen das Trainingsumfeld ist, desto höher die Effizienz der Trainingarsbeit. Dies beginnt bei der Kenntnis der Trainingsstätten und endet bei der Vorhersagbarkeit des Wetters.

PRAKTISCHE METHODEN ZUR GEWOHNHEITSBILDUNG

Visualisierung: Überlegen Sie sich die spezifischen Schritte, die zur Ausführung einer neuen Gewohnheit erforderlich sind. Schon einmaliges mentales Durchgehen dieser Schritte kann die Wahrscheinlichkeit erhöhen, die Gewohnheit regelmäßig auszuführen.

Kate Allen: "Ich dachte mir am Tag vor einem Rennen, denn Renntag vom Aufstehen bis zum Zieleinlauf durch. Das begann mit dem Anziehen, der Vorbereitung meiner Ernährung, der Anreise, dem Einrichten der Wechselzone und dem Aussuchen meines Startplatzes für das Schwimmen ... Vor allem bei großen sportlichen Aufgaben ist es absolut essenziell. Und manchmal, wenn ich mir abends meine Laufsachen für den Morgenlauf herrichte, erinnere ich mich an diese Ironmantage zurück."

Task Bracketing: Task Bracketing beinhaltet das Festlegen von neuronalen Markern für die Ereignisse, die vor und nach der Ausführung einer Gewohnheit stattfinden. Dadurch wird die Gewohnheit kontextunabhängig und widerstandsfähiger gegen Ablenkungen oder Stimmungsschwankungen.

Beispiele sind tägliche Routinen wie das Zähneputzen, das trotz widriger Umstände oft beibehalten wird. Gerade mit dem Task Bracketing kann man auf seine Ernährung vor, während und nach dem Sport einwirken, denn gerade hier passiert oft Unvorhergesehenes. Läuft etwas das Training nicht, dann verändert das die emotionale Ausgangssituation und gerade dann ist das Einhalten des Ernährungsplans, man denke nur an Salz und Kohlenhydrate im Sport, besonders wichtig.

Positives Antizipieren: Stellen Sie sich vor, wie Sie sich vor und nach der Ausführung einer Gewohnheit fühlen werden, um sich entsprechend darauf vorzubereiten und sich zu motivieren. 

WIE KANN ICH MEINE GEWOHNHEITEN ÄNDERN?

Um eine schlechte Gewohnheit zu verändern, können Sie die Zeit unmittelbar nach der Ausführung dieser Gewohnheit nutzen, um eine positive Handlung einzuführen. Dies schafft eine neuronale Verbindung zwischen der schlechten und der neuen positiven Gewohnheit, was es leichter macht, die schlechte Gewohnheit zu erkennen und zu unterbrechen. Ein Beispiel wäre, nach dem reflexartigen Griff zum Handy eine kurze positive Tätigkeit wie das Trinken eines Glases Wasser auszuführen.